|
Sonntag, 28.9.
Ich habe das erste Mal in 3500m Höhe übernachtet, noch
dazu in einem Zelt. Nach dem Frühstück messe ich um
7 Uhr mit meinem Thermometer -2° C. Es schaut
wieder nach einem wunderschönen Tag aus.
Wir reiten heute zu dem Kessel, wo Hans gestern seinen
Steinbock erlegt hat. Nachdem aber Oklik und Taalai keine
Tiere erblicken, geht es weiter in Richtung Osten.
Taalai, der ja immer zu Fuß unterwegs ist, hat einen
Steinbock in einer Schlucht entdeckt. Die zwei
kirgisischen Jäger und Johann pirschen daraufhin in
diese Schlucht, der Rest der Gruppe wartet an einer
Stelle, von der aus die Schlucht nicht eingesehen werden
kann. Wir erleben einen richtig schönen strahlend blauen
Sonntagmorgen. Am Himmel beobachten wir die Adler, die
ihre Kreise ziehen. Zwölf Adler zählen wir einmal am
Himmel.
Plötzlich kracht ein Schuß. Seit uns die Jäger
verlassen haben, ist eine halbe Stunde vergangen. Sascha
geht cirka hundert Meter hinunter, von wo er die Schlucht
einsehen kann. Nach einiger Zeit deutet er uns. Mischa
der bei uns wartet, gibt uns zu verstehen, daß Johann
nicht getroffen hat. Als die drei zurückkommen erzählt
Johann, daß er drübergeschossen hat. Im nachhinein
stellt sich dann heraus, daß es dabei zu einem
Mißverständnis zwischen den Führern und Johann über
die Entfernung gekommen ist. Statt der von Oklik
geschätzten 250 Meter hat Johann 350 Meter
verstanden und daher den Schuß wesentlich höher
angetragen.
Da es jedoch erst 10 Uhr vormittags ist, ist der Tag
noch nicht verloren. Wir reiten ein Stück weiter
ostwärts. In einer Rinne beziehen wir unsere Stellung
mit Mischa. Taalai und Sascha wollen den Berg östlich
von uns von der uns abgewandten Seite besteigen. Sie
hoffen, daß die Tiere, die sich in dieser Umgebung
befinden, in unsere Richtung flüchten"
werden. Nach etwa zwei Stunden erfolglosen Wartens
brechen wir das Ganze ab und kehren zur Stelle zurück,
wo wir die Pferde gelassen haben. Da es in diesem Gebiet
keine Bäume gibt, wo man die Pferde anbinden könnte,
werden ihnen hier die Vorderfüße zusammengebunden.
Trotzdem sind die Pferde etwa einen Kilometer von diesem
Punkt entfernt, als wir zurückkehren. Die haben mit
diesem Handikap" eine Fortbewegungsart
entwicklet, die an Känguruhs erinnert. Nachdem wir
unsere Spring-Pferde also wieder eingefangen haben,
reiten wir zurück zum Lager 2. Nach dem Essen sagt
uns Mischa, daß wir zum Lager 1 zurückkehren werden.
Nachdem die Zelte abgebaut und unsere Sachen gepackt
sind, reiten wir um etwa 5 Uhr los. Um
½ 7 Uhr, wir sind nicht mehr sehr weit vom
Lager 1 entfernt, fragt Mischa, ob zum Basis-Camp
zurückreiten wollen. Wir müßten aber mit einem Ritt
bis etwa 10 Uhr abends rechnen. Wir stimmen ein.
Als wir beim Lager 1 vorbeikommen, dämmert es bereits.
Wenig später treffen wir auf Taalai, der mit seinem
Motorrad, das er gestern im Lager zurückgelassen hatte,
voraus in das Basis-Camp fahren sollte. Leider ist die
Scheinwerfer-Lampe kaputtgegangen, und ohne Licht gibt es
hier auf einem Motorrad kein Weiterkommen. Noch dazu ist
heute Neumond, sodaß wir nur durch das Licht der Sterne
den Vordermann erkennen können - soferne er nicht weiter
als fünf Meter entfernt ist. Immer wieder sehe ich ins
Schwarze" und kann nur erahnen, daß es hier
steil bergab gehen muß. Zu meinem Glück habe ich in den
letzten Tagen soviel Vertrauen zu meinem Pferd gefaßt,
daß ich die Zügel locker halte. Es sieht offensichtlich
weitaus besser als ich. Trotzdem, würde Mischa uns jetzt
nocheinmal fragen, unsere Entscheidung wäre nicht mehr
so eindeutig.
Johann, der von Oklik und Mischa begleitet wird, bleibt
immer weiter hinter uns. Taalai, der Sascha, Hans und
mich zu Fuß hinauf auf den Paß geführt hat, ist oben
so erschöpft, daß er sich auf den Boden legt. Wir
reiten mit Sascha weiter. Entfernt sehen wir bereits die
Lichter des Camps. Es vergehen keine fünf Minuten und
wir müssen stehenbleiben. Sascha, der nicht von hier
ist, ist vom richtigen Weg abgekommen. Auf das Pfeifen
von Sascha hören wir keine Reaktion. Zufällig habe ich
eine Signalpfeife mit, aber auch darauf reagiert niemand.
Wir versuchen einen anderen Weg, nach hundert Metern
bleibt Sascha wieder stehen. Als Draufgabe zu unserer
Situtation merke ich, daß ich einen Handschuh, den ich
bei der Suche nach der Pfeife ausgezogen hatte, verloren
habe.
Gott sei Dank findet uns Oklik wenig später. Es liegt
noch immer eine Stunde vor uns, sollten wir tatsächlich
um 22 Uhr das Camp erreichen. Wir kommen zu einem
Grat, der etwa vier bis fünf Meter breit ist und so
steil abwärts führt, daß die Pferde einen
ZickZack-Kurs wählen. Rechts und links vom Grat sehe ich
nur schwarz, trotzdem steuert mein Pferd zielsicher den
Abgrund an, um einen halben Meter davor eine Kehrtwendung
zu machen. In diesem Moment denke ich, das Zusammenbinden
der Vorderfüße ist sicher ein gutes Training, um sich
so sicher in dieser Umgebung zu bewegen. Tierschützer
dürften hier jedoch anderer Meinung sein...
Kurz vor dem Camp müssen wir noch den Fluß Kaindy
durchqueren. Ich spüre Wasser an meinen Bergschuhen,
kann aber in diesem Moment nicht sagen, ob Wasser in
meine Schuhe eingedrungen ist, da meine Füße schon seit
etwa zwei Stunden ein naßkaltes Gefühl verspüren.
Einige Minuten nach 22 Uhr erreichen wir
tatsächlich das Camp. Ein langer Tag geht nach
Abendessen und anschließendem Zusammensitzen erst nach
Mitternacht zu Ende.
|